Galerie eins, Wertheim 1998

Die Bilder von Georgia Templiner begegnen uns zunächst als zarte, sehr differenzierte und sensible abstrakte Gebilde in Grau, Schwarz und Weißtönen mit einigen kräftigen sicher plazierten Akzenten in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb …

Zunächst nehmen wir eine erstaunliche Vielfalt von Strukturen, Schichtungen und Ausformungen verschiedener Materialien wahr. Dann spüren wir hinter dem Material die persönliche Präsenz der Künstlerin, ihre Gefühle und ihre Dynamik. Und schließlich begegnen wir auch uns selbst in den Bildern …

Diese Bilder lösen Erinnerungen und Assoziationen aus …
… dort die Rundungen und der dunkle Spalt; das ist doch ein Arm mit Achselhöhle und Brustkorb … dort glüht ja ein Feuer …, ist dort nicht eine sitzende Figur? … Die Formen wirken fremd und doch so bekannt …

Die anfängliche Improvisation wird erweitert, überarbeitet, verdichtet. Hier sind weich fließende transparente Aquarellflächen, dort rauchschwarze Schatten, die sich zu Spalten und Rissen verdichten. Sperrige Krakel in Bleistift und Wachskreiden. Mit Bleistift werden die oben liegenden Schichten zerkratzt. Mit der Spachtel werden untere Schichten freigelegt. Auf diese Weise werden verschiedene Stadien des Entstehungsprozesses sichtbar... Gerade die Mischtechnik bietet eine Vielfalt an experimentellen Möglichkeiten …

Georgia Templiner zeigt aber auch in ihren Bleistiftzeichnungen einen überraschenden‚ Reichtum an Nuancen und Strukturen...Das bescheidene Arbeitsgerät Bleistift, läßt eine Vielfalt von hellen und dunklen Strichen, Punkten und Schraffuren entstehen. Zarte graue Felder werden von rhythmischen Lichtspuren durchzogen, die nichts als die hellen Spuren eines Radiergumis sind. Ausradierte Leere nimmt hier sichtbare Form an …

Die Gefühlwelt ist der Motor, der den Schaffensprozeß vorantreibt. Es ist auch ihr Gefühl, das bestimmt, welcher Moment zum Endstadium erklärt wird. Einem Augenblick im Fluß des Werdens und Vergehens wird Dauer verliehen und doch wird das Flüchtige spürbar. Es entsteht ein Werk, das man als Gleichnis der menschlichen Existenz sehen könnte. Es ist vollständig und unfertig zugleich. Es ist dauerhaft aber auch vergänglich …

Witilo Grohte (Galerie eins, Wertheim, Ausschnitte aus Rede zur Ausstellungseröffnung 1998)